Nicht nur der deutsche Auslands-Geheimdienst BND nutzt die mächtige NSA-Datenbank Xkeyscore, sondern auch der Verfassungsschutz. Einen tiefen Einblick in die (unerlaubte!) Verwendung der Datenbank durch die Deutschen gibt ZEIT-Autor Kai Biermann in einem sehr aufschlussreichen Artikel. Quelle ist eine Vereinbarung zwischen NSA und Verfassungsschutz, die ZEIT online ebenfalls dokumentiert.
Metadaten werden im Überwachungsdiskurs total unterschätzt. Dabei sind der Zeitpunkt einer Internet- oder Telefonverbindung, Quelle und Ziel und Standort der beiden Kommunikationsteilnehmer Gold wert, weil sich daraus Verknüpfungen ergeben. Einige Zitate aus Biermanns Artikel vom 25. August:
Wer Gespräche belauscht, erfährt, was die Sprecher sagen. Wer hingegen Metadaten analysiert, erfährt, was die Belauschten tun, ja sogar was sie planen und denken. Genau deswegen war das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) so scharf darauf, die amerikanische Spionagesoftware XKeyscore zu nutzen, die der Bundesnachrichtendienst bereits 2007 von der NSA bekommen hatte.
Außerdem kann Poseidon charakteristische Merkmale in den [Meta-]Daten finden und aus diesen einen „Fingerabdruck“ erstellen. Das heißt, dass beispielsweise wiederkehrende Ortsangaben, bestimmte Kommunikationsmerkmale oder die Nutzung spezieller Programme dazu dienen, ein Verhaltensprofil einer Person zu entwickeln. Dieses Profil kann das Programm dann in neuen Daten wiederfinden und damit die Person darin identifizieren, selbst wenn nirgendwo ihr Name steht. Die NSA hat viele Tausende solcher Fingerabdrücke entwickelt, die wie eine maßgeschneiderte Suche funktionieren, um in unbekannten Daten bekannte Merkmale zu entdecken.
Überwachungen des BfV betreffen hingegen pro Anordnung immer nur wenige Menschen, manchmal fünf, manchmal 20, je nach Größe der überwachten Gruppe oder Organisation. Wenn von jedem davon auch nur 20 Gigabyte Kommunikationsdaten analysiert werden, was durchaus realistisch ist, genügt das, um so gut wie alles über das Leben des Betroffenen zu erfahren.
Poseidon/XKeyscore ist also nicht nur ein „Sortierwerkzeug“, wie des das BfV nennt, es ist ein Werkzeug, um Menschen komplett zu durchleuchten.
Es wundert mich nicht (mehr), dass aus dem bekannt gewordenen verbotenen Einsatz von Xkeyscore im Verfassungsschutz keine Konsequenzen. Personelle sowieso nicht (da BfV-Chef Fromm, in dessen Zeit der NSA-Deal fiel, 2012 bereits über die NSU-Affäre gestolpert wurde), und politische auch nicht. Wenn uns unsere Freiheitsrechte wichtig sind, ist eine stärkere palamentarische Kontrolle (= mehr Transparenz) des Verfassungsschutzes nach dem, was wir dank Edward Snowden erfahren haben, dringend notwendig.
ZEIT-Autor Kai Biermann und sein Kollege Patrick Beuth haben einige gute Artikel geschrieben – und tun es glücklichweise auch weiterhin, auch wenn die NSA-Affäre in den Medien und der Gesellschaft derzeit kaum eine Rolle speilt. Ich empfehle Beuth und Biermann auf Twitter zu folgen.