Ich gebe auf. Genau 15 Monate nach Deinstallation der App bin ich seit gestern wieder Mitglied bei dem Chatdienst. Meine Mitgliedschaft steht unter Protest, da die meisten der von mir und anderen angeprangerten Privatsphäre- und Sicherheitsbedenken noch immer bestehen.
Die Installation gestern abend fühlte sich für mich wie eine Kapitulationserklärung an. Ich hoffe aber, mich als konsequent bezeichnen zu können, wenn ich mit meiner Rückkehr dem Grundgedanken dieses Blogs folge: nämlich trotz aller informationellen Selbstbestimmung nicht auf Komfort verzichten zu wollen (und zu zeigen, dass es geht).
Auf Whatsapp zu verzichten, das habe ich in den vergangenen Monaten häufig ge- und bemerkt, ist mehr als Komfortverlust: Es ist ein Verzicht auf Zugehörigkeit, zumindest auf gefühlte Zugehörigkeit. Von der Geburt des Sohnes von Bekannten habe ich gestern nur aus zweiter Hand erfahren, weil ich in der Freundesgruppe kein Mitglied bin. Das ist sicherlich der Hauptgrund, warum ich wieder „an Bord“ bin. Drei weitere Gründe sind:
- Whatsapp scheint nun endlich auch Iphone- und Gruppenkonversationen zu verschlüsseln. „Scheint“, weil der Appcode darauf hindeutet, aber das Unternehmen diese Funktion noch nicht bestätigt hat.
- Ich habe die Berechtigungen zum Datenzugriff, die Whatsapp gerne hätte, dank der Android-App Xprivacy auf ein Minimum reduziert. Weder erhält die App Zugriff auf die IMEI-Nummer meines Smartphones, noch auf mein Adressbuch, noch auf mein Google- oder Facebook-Konto, und meinen Standort verrate ich ihr auch nicht. Sollte die App die Daten anfragen, gibt Xprivacy einfach zufällig generierte Daten aus. Die Christmas Islands sollen ein perfektes Klima zum Chatten bieten, hab ich gehört.
- Ich nutze Whatsapp unter einer anderen Handynummer, als ich zum Telefonieren / Simsen nutze – allerdings auf demselben Handy. Vor der Installation habe ich in das Gerät einfach eine alte, aber noch aktivierte Simkarte eingelegt. Diese Nummer ist bei Whatsapp, im Internet und den wahrscheinlich noch immer mitlesenden Geheimdiensten unbekannt, weil ich sie nie aktiv genutzt habe. Deshlab kann sie nicht so leicht mit meinen anderen Spuren im Internet verknüpft werden, was – siehe Xkeyscore – die Spitze allen Überwachungsübels ist. Bei Nutzung meiner „normalen“ Handynummer würde mein (trotz aller Bemühungen sicherlich nicht kleines) digitales Schattenprofil um einen wertvollen Anknüpfungspunkt reicher. Da Whatsapp und die staatlichen Kontrolleure aber nicht einmal die neue Handynummer mit der Geräte-ID des Handys verknüpfen können, ist Big Brother auf zumindest einem Auge blind.
Und noch aus einem weiteren Grund trägt die eigene „Whatsapp-Telefonnummer“ zur Datenhygiene bei: Sie schützt mich vor ungewollten Kontaktaufnahmen, denn nicht jeder, der meine Handynummer kennt, kann mich über Whatsapp kontaktieren.
Zuguterletzt werde ich, und so empfehle ich es jedem Produzenten digitaler Daten, bei jeder Chatmitteilung überlegen, ob sie sensible Informationen enthält oder Informationen, die kombiniert mit anderen Informationen über mich – vielleicht erst in Zukunft – sensibel sein könnten. Ich hoffe, diese selbst errichtete Schikane schützt mich davor, dass die Waage zwischen Komfort und Privatsphäreschutz durch meine Entscheidung nicht zu sehr ins Ungleichgewicht gerät.