I’ve got the key…

… I’ve got the secret!


Eine Nachricht hat mich heute zutiefst verstört: Das von Horst Seehofer geführte Bundesinnenministerium will die Anbieter verschlüsselter Messenger dazu zu verpflichten, auf richterliche Anordnung die Nachrichten ihrer Kunden zu entschlüsseln (Quelle/Quelle).

Ich halte das aus drei Gründen für falsch:

Es macht das Internet unfrei. Hinter den großen Messengern Whatsapp, Threema, Telegram und Signal sind allesamt keine deutschen Unternehmen. Einzig Wire hat einen Standort in Berlin. Die einzig wirksame Maßnahme zur Sanktionierung (“Sperrung”) der nicht-deutschen Dienste, wenn sie denn nicht kooperieren wollen, ist eine Sperrung z. B. der Threema-Server im deutschen Internet. Und dann, sagt ein Threema-Sprecher im SpOn-Artikel

, “würde sich das Land nahtlos in die Reihen totalitärer Staaten wie China oder Iran einreihen”. Ob man sich im Innenministerium dieser Konsequenzen bewusst ist?

Es macht das Internet unsicher. Die z. B. in Threema, Wire, Signal und Whatsapp angewandte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, bei dem der Diensteanbieter selbst keine Entschlüsselungsmöglichkeit hat, wäre mit der vom Ministerium vorgeschlagenen Maßnahme am Ende. Künftig müssten alle Anbieter die Schlüssel zur Dekodierung der Nachrichten auf ihren Servern aufbewahren, um sie im Zweifelsfall zum Entschlüsseln der Kunden-Nachrichten zu verwenden. Doch wenn viele sensible Daten gebündelt an einem Ort liegen, ist ein Hackerangriff auf diesen Ort wohl nur eine Frage der Zeit. So wird der Begriff “Sicherheit”, mit dem die Maßnahme des Ministeriums wohl begründet werden soll, ad absurdum geführt.

Es vertieft die Gräben zwischen Netzeinwohnern und die Netzbesuchern. Als hätte man aus den europaweiten Protesten gegen die EU-Urheberrechtslinie nichts gelernt, wird mit dem Ministeriumsvorschlag gesetzlich in etwas eingegriffen, das viele Menschen als ihren Lebensraum ansehen und dementsprechend beschützen: Das Internet. Es ist wirklich dumm, solche Planungen an die Öffentlichkeit zu lassen, ohne vorher das Gespräch mit der Netzcommunity zu suchen und die möglichweise vorhandenen Argumente in Ruhe zu erklären.
Bei Artikel 11 und 13 war die politische Kommunikation katastrophal (und die Zuhörbereitschaft der Protestler sehr beschränkt); jetzt wiederholt sich zumindest ersteres. Ich hoffe inständig, dass es dieses Mal anders läuft und die ersten Twitterkommentare nicht repräsentativ für die Argumentationslinie sind.
(Wobei: Damals hatte sich der Hashtag #niemehrcdu etabliert; heute stehen wir zwei Tage vor der Europawahl, und CDU und CSU stehen vier Tage nach dem Rezo-Video digitalpolitisch nicht sonderlich souverän da. Ob der Zeitpunkt für die Verkündung der Messenger-Verfügung da so optimal gewählt ist?)

Das Vorhaben ist noch in der Planungsphase. Die Innenminster der Länder werden nächsten Monat über den Vorschlag aus Berlin beraten – und ihn möglicherweise zu Fall bringen. Gründe dafür gibt es zuhauf.