Sein Denkmal bröckelt

Snowden – ein gefallener Held?
Für mich zumindest war der NSA-Whistleblower die einzige lebende Person, auf den ich diesen Begriff unter Umständen angewendet hätte. Helden tun Gutes in der Welt, auch wenn sie selbst dafür zahlen müssen. Das hat Snowden getan, indem er die anlasslose Massenüberwachung der NSA und ihrer britischen Geheimdienstschwester offengelegt hat. Deshalb wird er wohl nie mehr in sein Heimatland zurückkehren können.
Doch nun hat er Haven mitentwickelt (Promovideo hier). Diese kostenlose App soll dem Schutz der Nutzer dienen, indem sie die Umgebung überwacht. Gedacht zum Beispiel für die Überwachung eines Hotelsafes. Man lege das Haven-Handy mit in den Safe, und sobald ein Gauner den Safe öffnet, meldet sich das Gerät unbemerkt beim Besitzer (natürlich auf einem weiteren Handy) und schickt gleich noch Beweisfotos mit.

Zuerst dachte ich, das sei ein PR-Coup von Snowden. Ich dachte, er wolle darauf aufmerksam machen, wie viele Sensoren in Smartphones verbaut sind. Dass wir bitte keiner App trauen sollten. Dass wir bitte vor Installation immer die App-Berechtigungen prüfen sollten. Das wäre ja mal ein crazy Stunt gewesen!
Ist es aber nicht. Drei Wochen nach dem Start der App gibt’s immer noch keine Auflösung. Keinen Rückruf. Kein Entwickler, der den Haven-Code gelesen hat, hat gemeldet, dass die App in Wirklichkeit gar nichts macht. Nein, die App von Edward Snowden, des Mahners vor der anlasslosen Überwachung, tut das, was sie soll: anlasslos überwachen.

Ich glaube, der gute Edward hat da ein Eigentor geschossen. Seine Argumentation, man könne nicht so leicht entführt werden, weil das Handy ja alles beobachte, kann zumindest ich nur mit Gedankenverrenkungen nachvollziehen (aber ich bin nicht allein). Wie die App Menschenrechtsaktivisten konkret helfen soll, auch nur mit Mühe. Dass in vielen Ländern die Überwachung öffentlicher Räume durch Privatleute verboten ist, die App also beispielsweise in Deutschland nur in Privaträumen eingesetzt werden darf, müsste Snowden wissen (heise.de weiß es zumindest).
Braucht die Welt also wirklich diese App?
Bislang waren Snowdens Aussagen stringent: Privatsphäre grundsätzlich gut, Überwachung grundsätzlich schlecht. Warum geht der Whistleblower das Risiko ein, dass seine Fans und auch die Medien die Motive für „Haven“ nicht- oder missverstehen?

Vielleicht, um Sascha Lobo zu stärken, der ein Smartphone im Blick auf die Überwachungsmöglichkeiten eine „famose Premiumwanze“ genannt hat. Ja, das ist sie. Jetzt zum kostenlosen Download. Danke, Edward!

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