Es ist vorbei, bye bye Twitterei!

Ich will kein digitaler Pegida-Mitläufer mehr sein

Vor zehn Jahren hat Twitter das erste rechtsradikale Profil gesperrt. Seit das Netzwerk im Sommer 2022 von Elon Musk gekauft wurde, wurden 12.000 gesperrte Konten wieder eröffnet, darunter auch jene des US-Neonazis Andre Anglin und des populistischen Ex-US-Präsidenten Donald Trump. Die Verwendung des N-Wortes hat sich in diesem Zeitraum verdreifacht.
Zeit für mich zu gehen.

Grafik zeigt Elon Musk neben einem Vogelkäfig, eine Vogelsilhouette in Form des Twitter-Logos entflieht. Daneben ein Pfeil mit dem Text Michael.

Musk hat in wenigen Wochen soviel Unfug angerichtet

, dass es eigentlich kaum in Worte zu fassen ist (ein guter Kommentar auf medienwoche.ch). Es kommt mir so vor, als hätte ein kleiner Junge ein neues Spielzeug bekommen, das er nun kaputt macht, weil er es nicht versteht und weil es einfach seins ist. Dabei übersieht er aber, dass Twitter kein Spielzeug ist, sondern ein wesentliches Instrument zur Meinungsbildung in der Welt. Das geht, anders als der Freie Rede-Enthusiast Musk meint, nicht ohne inhaltliche Regularien, Fake News-Detektoren, Beschwerdemöglichkeiten und ein gewisses Maß an Transparenz. Diese Voraussetzungen hat Musk radikal beschnitten.

Ich war 14,5 Jahre der Twitteruser @oldfatherems. Nach Facebook (14 Jahre) ist Twitter das zweites Soziales Netzwerk, dem ich 2022 den Laufpass gebe (eigentlich mein drittes, BeReal war mir zu anstrengend). Für die Plattform ist mein Weggang kein großer Verlust: 2.800 Tweets, 238 Follower, das ist natürlich nicht viel. Aber mir wird die schnelle Informationsmöglichkeit, das Beobachten von Trends und Memes und der Austausch mit meiner Progressivrock-Bubble fehlen, zudem auch ein PR-Kanal für meine Blogeinträge, Bücher, Podcastfolgen. Doch ich möchte kein digitaler Pegida-Mitläufer sein. Wer mit Rechten mitmarschiert, handelt falsch. Wer in einem Netzwerk voller Rechter mitmacht, auch.

Seit November bin ich Mitglied bei Mastodon, einem dezentralen, nichtkommerziellen Netzwerk, das dieser Tage viele verstörte Ex-Twitternutzer*innen aufnimmt. Hier entscheidet kein intransparenter Sortieralgorithmus, was ich sehe (Filterblase). Hier entscheiden die Betreiber*innen der Mastodon-Server – und machen transparent – welche Inhalte sie zulassen. Ich habe mich (nach einem Fehlgriff in den ersten Tagen) für den Server der Deutschen Journalistenunion entschieden, der ganz klar sagt, was erlaubt ist und was nicht und die Verantwortliche für den Server samt Kontaktmöglichkeiten mit aufführt.

Serverregeln von dju.social

Ob Mastodon mein neues Twitter wird, kann ich nach der kurzen Zeit noch nicht sagen. Aber immerhin haben 17 meiner 238 Follower*innen und 97 meiner 577 gefolgten Twitter*innen dort ebenfalls Asyl gefunden (es gibt ein tolles Tool, das den Umstieg erleichtert) und ich vermute, es werden noch weitere werden.

Zum Ende des Jahres 2022 bin ich digital mit mir im Reinen. Mit Facebook und Twitter habe ich mich von zwei Diensten verabschiedet, die der Welt nicht (mehr) gut tun.
Es ist Zeit, dass wir unsere Macht im Netz wiederentdecken.