Thilo Weichert ist ein kluger Mann. Als Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein setzt er oft Akzente in der Debatten um Privatsphäre, Datensammlung und Jugendschutz. Seinen Boykottaufruf gegen Whatsapp (als Reaktion auf die Übernahme von Whatsapp durch Facebook; Interview auch hier) halte ich allerdings für übertrieben. Denn: Whatsapp (Weichert: „Unausgereifte Datenschleuder“) wird dadurch für den Datenschutz kontrollierbarer. Facebook ist schon lange im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung, kämpft sich mit privatspähreliebenden Europäern und mit scharfen Datenschützern ab ist dadurch in den vergangenen Jahren relativ transparent geworden. Das Netzwerk hat immer mehr Privatsphärefunktionen zugelassen, die zwar nicht immer leicht aufzufinden sind, aber immerhin vorhanden sind. Mark Zuckerbergs Firma kann keine Änderung der AGB im Stillen vollziehen – die Medien warten nur darauf, den nächsten Facebook-Alarm auszurufen.
Whatsapp hingegen war bislang ein intransparentes Unternehmen. Auf Presseanfragen reagierte es in der Regel nicht, auf Datenschutzforderungen reagierte es nur zögerlich. AGBs wurden im Stillen geändert. Nicht einmal den Firmensitz des US-Unternehmens hat ein WDR-Team ausfindig machen können. Dazu kommt die sehr unsichere Datenübertragung, bei der die Textnachrichten unverschlüsselt übertragen und auf US-Servern gespeichert werden, ebenso wie das Handy-Adressbuch der Nutzer. Damit werden perfiderweise auch die Adressdaten von Nutzern weiter gegeben, die Whatsapp gar nicht nutzen – einfach nur, weil sie im Adressbuch eines Whatsapp-Nutzers stehen. Whatsapp behauptet zwar, nur die Telefonnummern und der Nickname würden gespeichert – aber das Unternehmen wirkt zumindest auf mich nicht sonderlich glaubwürdig.
Meine Daten könnten also sicherer werden, wenn Facebook Whatsapp zu einem eigenen Dienst macht. Allerdings hat Herr Weichert in einem Punkt sicher recht: Er geht davon aus, dass Facebook die Daten der WhatsApp-Nutzer für kommerzielle Zwecke ausbeuten wird. Richtig – das wird Facebook garantiert machen, wenn Sie Whatsapp irgendwie in Facebook integrieren.
- Alle Whatsapp-Nachrichten werden dann Teil des Informationspools, in dem jetzt schon Facebookposts, Interessen, Likes und Fotos liegen.
- Es wird personalisierte Werbung geschaltet, passend zum Inhalt meiner Nachrichten.
- Die Fotos, die per Whatsapp verschickt werden, werden gemäß der Facebook-AGB auch von dem Netzwerk (z.B. zu Werbezwecken) genutzt werden.
Aber: Durch die öffentliche Diskussion, die über Facebook geführt wird, wissen die Whatsappnutzer dann, was bei Nutzung des Services auf dem Spiel steht – und sie können sich dann bewusst für oder gegen Facebook-Whatsapp entscheiden. Eine Option zu haben, habe ich schon mehrmals als Knackpunkt in der Datenschutzdebatte bezeichnet.
Alternativen zu Whatsapp gibt es genug, und ich kann gar nicht häufig genug betonen, wie sehr ich mir wünschen würde, dass alle meine Whatsapp-Kontakte Threema oder Myenigma nutzen würden. Nur: Noch ist Whatsapp alternativlos in der mobilen Kommunikation. Bei Jugendlichen hat es sogar die gute alte SMS abgelöst. Bei Threema hingegen habe ich genau zwei Kontakte.
Doch vielleicht dreht der Wind nun, vor der großen Übernahme – wenn das so ist, werde ich auch Herrn Weichert für seine martialischen Worte danken.