FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher analysiert in der gestrigen FAS brilliant, wie die Snowden-Affäre die Welt verändern wird. Bezüglich Edward Snowdens Aussage, in einer Welt, in der alles, was er tue, aufgezeichnet werde, wolle er nicht leben, konstatiert Schirrmacher:
Offenbar wollen wir. Bundesregierung und die Mehrheit der Bundesbürger haben sich gegenseitig versichert, dass sie nichts voreinander zu verbergen haben. Was immer die unsichtbare Hand der Geheimdienste und des Silicon Valley in irgendeiner elektromagnetischen Schicht an Insider-Informationen sammelt, dringt in den Augen der Bürger ins wirkliche Leben allenfalls als Buchempfehlung vor. Und weil Menschen, die die Aufregung um Snowden nicht gekauft haben, auch nicht eine Partei wählen, die damit Politik macht, hat auch keine Partei eine politische Antwort auf das Drama des überwachten Menschen wirklich im Angebot. Der „Like“-Button ist längst stärker als jedes Bundesverfassungsgerichtsurteil.
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Doch die eigentliche Erkenntnis, die Snowden mehr auslöste als dokumentierte, ist längst gewonnen: Wir erleben eine Veränderung der sozialen Ordnung in den westlichen Demokratien, die so grundsätzlich zu sein scheint, dass die „Beendigung der Debatte“ geradezu verantwortungslos wäre.
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Schon gibt es Andeutungen, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zeitgemäß sei. Die Vision, dass selbst Grundrechte einem ständigen Update unterliegen und stets nur in der Betaversion vorhanden sind, ist so beklemmend, dass man sich wünscht, dass in der Debatte, die nicht nur die NSA, sondern Google, Facebook oder Apple umfassen müsste, sich endlich Verfassungsjuristen zu Wort melden.
Politiker sollten Farbe bekennen, fordert der Autor, auch Juristen, das Volk – und ich ergänze: Auch einflussreicher Medienmacher! Frank Schirrmacher hat mit diesem visionären, wenngleich düsteren Artikel gezeigt, wie viel auf dem Spiel steht.