Das war’s, Whatsapp.

Ich habe mich entschieden, Whatsapp wg. der jüngsten AGB-Änderung erneut den Rücken zu kehren. WhatsApp stellt uns nun vor die Wahl, entweder etwas Unmögliches oder etwas Unethisches zu tun. Entweder geben wir unsere Telefonnummer und die Telefonnummern aller unserer Kontakte zu kommerziellen Zwecken her, wobei wir für das Einverständnis zur Übermittlung der fremden Telefonnummern selbst sorgen müssen. Zitat:

Du stellst uns regelmäßig die Telefonnummern von WhatsApp-Nutzern und deinen sonstigen Kontakten in deinem Mobiltelefon-Adressbuch zur Verfügung. Du bestätigst, dass du autorisiert bist, uns solche Telefonnummern zur Verfügung zu stellen, damit wir unsere Dienste anbieten können.

Meint Whatsapp das ernst? Wir sollen alle Telefonkontakte fragen, ob sie einverstanden sind, dass ihre Telefonnummer auf Whatsapp-Server geladen und ausgewertet werden?! Absolut utopisch.

Holen wir das OK nicht ein, (dürfen wir die App nicht nur nicht mehr nutzen, sondern) liefern wir fremde Daten der Verwertung durch Dritte aus. Auch eine Ablehnung der personalisierten Werbung in Facebook, die tatsächlich ausgeschaltet werden kann, verhindert nicht die Datenauswertung. So heißt es in einem Whatsapp-FAQ deutlich:

Die Facebook-Unternehmensgruppe wird diese Information trotzdem erhalten und für andere Zwecke, wie Verbesserung von Infrastruktur und Zustellsystemen, des Verstehens der Art der Nutzung unserer bzw. ihrer Dienste, der Absicherung der Systeme und der Bekämpfung von Spam, Missbrauch bzw. Verletzungshandlungen.

Und nun? Hoffe ich, dass die (wenigen) Whatsapp-Gruppen, in denen ich bin, mit mir zu Threema umziehen. Die App ist zwar nicht quelloffen (die größte Gewähr für “saubere” Software), aber aus meiner sich höchst vertrauenswürdig – jedenfalls sammelt sie keine Daten und kommt ohne Adressbuchzugriff aus. Ich habe allen meinen Whatsapp-Kontakten angeboten ihnen eine Threema-Lizenz zu spendieren (geht aber leider nur bei Android-Geräten) – mehr kann ich nicht tun..

Und wenn das nicht funktioniert? Werde ich in bestimmten Kreisen kommunikatorisch erneut abgehängt. Von wichtigen Ereignissen in meinem Bekanntenkreis nur aus zweiter Hand zu erfahren hatte mich vor knapp einem Jahr meinen Whatsapp-Boykott beenden lassen. Das ist den Preis, den ich für meine Überzeugung vielleicht erneut zahlen muss.
Update 31.8.: Rechtsanwalt Karsten Gulden hält die neuen AGB für unvereinbar mit deutschem Recht. Was das bedeuten könnte, wenn die Allgemeinheit diesen Fakt ernst nähme, schildert er in seinem Blog. Aus dem Artikel spricht leider auch eine gewisse Resignation.

http://www.infodocc.info/whatsapp-nummernweitergabe-die-agb-entbehren-jeglicher-grundlage/

Update 1.9.: André Wolf vom Verbrauchterschutzportal Mimikama.at hat ebenfalls die Nase voll und schreibt sich die Wut über die Massenübermittlung von Telefonbuchkontakten von der Seele.

 

Jetzt gehst du zu weit, Whatsapp!

[Update 6.9.2018: Die Facebookseite “Netzunrecht” existiert nicht mehr. Ich habe den Link entfernt.]

whatsapMit seinen neuen AGB geht Whatsapp eindeutig zu weit: Die neu eingeführte Verknüpfung von Whatsapp mit Facebook ist verschiedenen Quellen zufolge nicht bei allen Kunden abstellbar, vor allem aber machen die neuen Geschäftsbedingungen die Whatsapp-Nutzung eigentlich unmöglich!

Die Juristen von Netzunrecht sagen es in einem Facebookpost klipp und klar:

Denn diesen neuen Datenschutzbestimmungen kann man eigentlich nicht zustimmen. Wer ist schon autorisiert Telefonnummern aus dem eigenen Adressbuch an WhatsApp weiter zu geben?!

Zitat aus den Nutzungsbedingungen:
“Adressbuch. Du stellst uns regelmäßig die Telefonnummern von WhatsApp-Nutzern und deinen sonstigen Kontakten in deinem Mobiltelefon-Adressbuch zur Verfügung. Du bestätigst, dass du autorisiert bist, uns solche Telefonnummern zur Verfügung zu stellen, damit wir unsere Dienste anbieten können.”

Die Zwickmühle, in der Whatsapp-Nutzer/innen stecken, ist dieselbe, die sie auch Facebook und Google-AGB-Änderungen kennen: Sie lautet “Friss oder stirb”. Wer die neuen Whatsapp-AGB nicht mag, darf den Dienst halt nicht nutzen. Und, um die Aussage der Anwälte noch einmal zuzuspitzen: Wer nicht von allen seinen Adressbuchkontaktem ein Okay für die Weitergabe ihrer Telefonnummer an Whatsapp erhalten hat, auch nicht!

Die Verbraucherseite “Zuerst denken, dann klicken” empfiehlt einen schriftlichen Widerspruch gegen die neuen AGB. Nein, das geht natürlich nicht, in dem man den Text “Hiermit widerspreche ich den neuen AGB” per Whatsapp irgendwo hinsendet.
Aber eine Mail an support@whatsapp.com wäre gut. Ich werde auch eine schreiben.

Weitere Beiträge zum Thema “Whatsapp”

UPDATE: Mir ist beim Lesen der AGB jetzt erst aufgegangen, dass die weitergegebenen Telefonnummern auch für Werbezwecke genutzt werden, nicht nur die eigene. Das ist wirklich die Höhe!

Datensammler, Überwacher und der US-Wahlkampf

Ist die Schlacht “Gut gegen Böse” eröffnet?

An einer Stelle der Debatte um die informationelle Selbstbestimmtheit wird mir zu wenig differenziert: Sind alle Unternehmen und Dienste, die Daten sammeln, Überwacher?
Auf einer Tagung in der vergangenen Woche habe ich mich dazu mit Kolleginnen und Kollegen ausgetauscht, die überwiegend dieser Ansicht waren: Ein Smartphone würde überwachen, so die Mehrheitsmeinung, Google auch, Facebook ebenso, und auch Windows 10 sei aus diesem Grunde abzulehnen.

Diese Einschätzung teile ich nicht. Es gibt einen Unterschied zwischen Überwachern und Datensammlern. Keinen 100%ig klaren, aber eine zumindest einen, der als Orientierung für den Weg durch die Informationsgesellschaft gelten kann. Beide Ansätze, also die Überwachung und die Datensammlung, haben logischerweise mit Daten zu tun, über beide wurde hier bereits geschrieben – aber beide sind ethisch ganz anders zu bewerten.

Datensammler

Datensammler sammeln Daten aus Apps, Programmen und Diensten, die wir nutzen, und werten sie aus. Sie tun das,

  • damit die Dienste/Apps/Programme funktionieren,
  • um personalisierte Onlinewerbung zu generieren,
  • oder um die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen.
    Oder aus allen drei Gründen zusammen.

Drei Beispiele: Wenn meine Navigationsapp nicht auf meinen Standort zugreifen darf, funktioniert sie nicht. Wenn Facebook meine Aktivitäten nicht analysiert, kann es keine personenbezogene Werbung generieren und verliert seine Geschäftsgrundlage.
Und Microsoft sammelt nach eigenen Worten in Windows 10 Benutzerdaten, um seine Nutzer zu kennenzulernen und die Erfahrungen in die weitere Softwareentwicklung einzubringen.

Datensammlung ist nicht per se gut, genauso wie Überwachung nicht immer “böse”, im Einzelfall sogar notwendig sein kann. Man kann jedes der oben genannten Motive zur Datensammlung aus guten, in diesem Blog an verschiedenen Stellen erwähnten, Gründen ablehnen – und die Datensammlung umgehen, indem man den jeweiligen Dienst nicht nutzt.
Womit wir bei den Unterscheidungskriterien zwischen Datensammlung und Überwachung wären.

  • Transparenz
    Datensammler legen in der Regel dar, wofür sie die Daten benötigen. Deren AGBs sind häufig nicht leicht zu verstehen, und das vielleicht sogar hin und wieder mit Absicht. Aber vertrauenswürdige Hersteller von Software verfassen dieses Dokument verständlich und beschreiben darin, wozu welche Daten benötigt werden und wann sie erhoben werden. Wenn AGBs nicht verständlich sind oder diese Infos nicht enthalten, obwohl die Software definitiv aufs Internet zugreift (und damit Daten generiert), würde ich das Produkt ablehnen.
    Andersherum: Wer den Herstellern eine über die in verständlicher Sprache geschriebenen AGB erwähnten Zwecke hinausgehende Verwendung der Daten vorwirft, ohne Beweise oder zumindest gute Argumente dafür vorzulegen, greift in die Weltverschwörungskiste.
  • Souveränität der Nutzer
    Als Nutzer/in habe ich die Wahl, durch Verzicht auf die Dienstleistung der Datensammlung auszuweichen. Im besten Fall lässt mich der Dienst die Datensammlung regulieren bzw. ausschalten.

Nach dieser Definition würde ich z. B. folgende Dienste und Unternehmen, die in diesem Blog Erwähnung bereits erwähnt wurden, Datensammler nennen: Microsoft, Apple, Google, Facebook, Whatsapp, Quizduell – wobei ich den letzten beiden Apps, wie bereits hier und hier dargelegt, stark misstraue.

Überwacher

(C) deathtothestockphoto.com

(C) deathtothestockphoto.com

Überwacher sammeln Daten und werten sie aus, um die Daten-Geber zu kontrollieren und daraus Schlüsse zu ziehen. Die Schlüsse können, müssen aber nicht mit der App, dem Dienst oder dem Programm zu tun haben.
In Abgrenzung zu den Datensammlern handeln sie intransparent und ohne die Souveränität der Nutzer/innen zu respektieren. Sie lassen die Nutzer/innen im Unklaren darüber, was mit den Daten geschieht. Denn wer sich freiwillig überwachen lässt, wird das nicht Überwachung nennen, sondern Kontrolle (seine eigene Kontrolle).
Es kann sein, dass ich überwacht werde, ohne dass ich es merke, wenn nämlich

  1. die genutzte App / die genutzte Software der Zweck, der Ort und der Zeitpunkt der Datensammlung verschweigt
  2. die App “legitim” Daten sammelt und jemand sie illegalerweise “abfischt”. Natürlich spreche ich hier vor allem von der NSA und dem GCHQ. Und dann wird es richtig gefährlich: Durch das Agieren im Dunkeln können Überwacher die Daten auch manipulieren, sie dem Daten-Geber zurück spielen (vielleicht wieder über “gekidnappte” Apps) und ihm so eine falsche Realität vorspielen.
    Über diese Gefahr, die im Zeitalter des “Internets der Dinge” noch einmal steigen wird, habe ich hier bereits einige Worte verloren.

Überwacher bleiben also so lange unerkannt, bis sie enttarnt werden. Das hat Edward Snowden bei der NSA und dem GCHQ getan. Und das tun kluge Informatikspezis auch heute immer wieder bei Apps, die mit den erhobenen Daten mehr machen, als sie dürfen. (Wobei im Falle der Snowden-Enthüllungen bis heute nicht geklärt ist, was die Geheimdienste genau mit den massenhaft gesammelten Daten machen und welche Schlüsse sie daraus ziehen.)

Offene Fragen.

Die oben genannten Aspekte sind für mich zum Wegweiser durch den Dschungel der digitale Welt nach Edward Snowden geworden. Mit ihrer Hilfe versuche ich digitale und mobile Dienste zu nutzen, ohne auf Komfort zu verzichten zu müssen oder meine digitale Selbstbestimmtheit aufzugeben.
Zwei Fragen bleiben aber. Für die erste haben mich meine Kollegen in der vergangenen Woche sensibilisiert: Was geschieht mit den Daten der Datensammler in 10, 20 oder 30 Jahren? Niemand kann voraus sagen, ob es Google (oder Facebook, oder Apple…) dann noch gibt, ob das Unternehmen meine Daten dann noch so (relativ) gut sichert und ob es nach den gleichen moralischen Standards handelt wie heute.
Wer angesichts der Möglichkeit, dass Googles Daten irgendwann in die Hände eines totalitären Regimes fallen, nicht panisch alle Stecker zieht und zum digitalen Eremiten wird, kann nur die Prinzipien äußerster Datensparsamkeit (keine Info, die nicht unbedingt wichtig ist) und Datenhygiene (Verteilung der Daten auf viele Dienste und löschen aller obsoleten Onlinekonten) anwenden, um den digitalen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten. Man weiß ja nie.

Zudem bleiben die Grenzen, ich hatte es oben angedeutet, unscharf. Die Frage, ob eine App, ein Programm oder ein Hersteller ein Daten-Sammler oder Daten-Missbraucher ist, ist nicht 100% zu beantworten. Ob er die Daten also nur für die in den AGBs genannten Zwecke nutzt, ob er darin etwas verschweigt oder ob er gar keine hat, weil er sich die Daten zusammenklaut.

Zumindest bei Apps, Diensten und Programmen, wo wir also die Wahl einer Nutzung oder Nicht-Nutzung haben, setze ich auf die Macht der Öffentlichkeit: Zum einen gibt es quelloffene Programme (Open Source), deren Programmcode frei zugänglich ist. Das bietet Transparenz, denn ein Missbrauch der Daten würde schnell von der wachsamen Netzgemeinschaft entdeckt. Zum anderen halte ich die Produkte der großen Unternehmen (wie den oben genannten) grundsätzlich für “sauberer” als die kleinerer Codingbutzen. Denn die Großen stehen so stark unter der Beobachtung durch Datenschützer und kritische Journalisten, dass eine über die Zugesagte hinaus gehende Verwendung der Nutzerdaten aus Imagegründen sehr heikel wäre
.
Das macht das Muscular-Programm der NSA, mit dem sich der Geheimdienst illegal Zugriff auf die Server von Google und Yahoo verschafft hat, ja so perfide.

Das erklärt auch, warum die großen Datensammler gerne (behaupten) die gleichen Interessen wie ihre Kunden (zu) vertreten, zumindest im Kampf gegen die Geheimdienste.

Und das macht die aktuelle Diskussion in den USA um Hintertüren in Iphones so wegweisend.

Gut und Böse

(c) deathtothestockphoto.com

(c) deathtothestockphoto.com

Ein Gericht will Apple verpflichten puttygen download , den Behörden Zugang zu dem Iphone eines Terroristen zu geben. Soweit, so gut – aus meiner Sicht ist das Ansinnen der Richter legitim, Apple kooperiert auch, kann in diesem Fall aber nicht helfen, weil die Daten auf dem Smartphone verschlüsselt sind.
Die Anweisung enthält jedoch echten Sprengstoff: Das Gericht verpflichtet Apple zudem künftig Hintertüren in sein Betriebssystem iOS einzubauen, so dass die Strafverfolger künftig leichter an verschlüsselte Informationen auf dem Smartphone heran kommen. So versteht zumindest Apple-Chef Tim Cook die Weisung – und lehnt sie ab. In einem offenen Brief (Original hier) misstraut er der Aussage des FBI, von der Hintertür nur “eng kontrolliert” Gebrauch zu machen:

„Einmal erstellt, könnte eine solche Technik wieder und wieder genutzt werden, für beliebig viele Geräte. In der realen Welt wäre das Äquivalent ein Generalschlüssel, der hunderte Millionen Schlösser öffnet – von Restaurants und Banken bis zu Geschäften und Eigenheimen. Kein vernünftiger Mensch fände das akzeptabel.“

Ich auch nicht. Ich kann mich einer gehörigen Portion Respekt für Apple und seinen Chef nicht erwehren. Und für seine Produkte, denn ich hätte nicht für möglich gehalten, dass die Verschlüsselung eines Smartphone das FBI vor ernste Probleme stellt.
Cook will keinen Präzendenzfall zulassen, mit dem die US-Behörden künftig alle Soft- und Hardwarehersteller zum Einbau von Hintertüren zwingen können. Und so springen ihm, wenig überraschend, auch seine Kollegen aus dem Silicon Valley, namentlich Whatsapp-Gründer Jan Koum und Google-Chef Sundar Pichai zur Seite.
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump stellt sich jedoch auf die Seite des FBIs, seine demokratische Herausforderin Hillary Clinton zumindest ein bisschen – und so scheint es, als sei die Schlacht eröffnet:
Die Schlacht zwischen Datensammlern und Überwachern.
Ist es die Schlacht “Gut” gegen “Böse”?
Stehen die “Bösen” auf der guten Seite?
Ich bin gespannt auf den Ausgang.

P. S.: Microsoft hat sich bereits ebenfalls schon einmal für die Datenhoheit seiner Nutzer stark gemacht: Im November 2014 weigerte sich das Unternehmen einem Gericht Zugriff auf Emails eines Microsoftkunden zu geben, die auf Servern in Irland lagerten. Klar, hier ging es vor allem um die Frage nach der Territorialgewalt von Gerichten. Aber dass nicht nur AT&T, Verizon und Cisco Microsoft in dieser Sache unterstützt haben, sondern auch die Bürgerrechtsoranisation EFF, zeigt einen Konsens zwischen Bürgern und (auch Daten sammelnden) Unternehmen: Daten gehören denen, die sie produzieren. Ich hoffe, dass wir nach der Schlacht ein dickes Ausrufezeichen dahinter machen können.