In zwei Gesprächen, die ich heute geführt habe, ging es heute um die Frage, ob die Parteien und Politiker a) nicht sehen, in welcher Dimension die Spähaffäre unsere Gesellschaft bedroht, oder ob sie es b) nicht sehen wollen.
(Option c wäre noch, dass sie es einfach anders sehen. Aber mir noch hat kein Politiker plausibel erklärt, wie man es anders sehen kann).
a) Das Nicht-sehen-wollen könnte natürlich auch ein „Sehen, aber schweigen“ sein – weil sie die Geheimdienstaktivitäten für richtig erachten, die deutschen Dienste schützen wollen oder schlicht sich selbst, weil sie sich in der Vergangenheit falsch verhalten haben.
b) Einiges spricht aus meiner Sicht dafür, dass die Politik bislang einfach nicht versteht, worum es geht. Z.B.
- die „Neuland“-Äußerung der Kanzlerin
- der Verweis des Innenministers auf die Nutzung von Firewalls
- der Vergleich der Snowden-Enthüllungen mit den Hitler-Tagebüchern durch Hans-Peter Uhl
- weitere Äußerungen von Hans-Peter Uhl
- keinerlei Äußerungen vom Bundespräsidenten (der oft von Freiheit spricht, der gegen die DDR-Bespitzelung gekämpft hat, und der ohne politischen Schaden Wahrheiten aussprechen könnte)
Vor allem aber stütze ich meine Vermutung, dass die Parteien die Dimension der Affäre nicht überblicken, darauf, dass keine Partei die Situation zu einem Wahlkampfthema macht. Es ist wenig verwunderlich, dass jede Partei sagt: Das muss gestoppt werden! Der oder die aus der anderen Partei muss was tun / hätte etwas tun müssen / hat damals nichts getan… aber nimmt das den Verschreckten, Enttäuschten, Zweifelnden die Angst? Mir nicht. Mir zeigt es nur: Die Spähaffäre ist für eine Pressemitteilung gut, nicht aber für die Debatte, ob unsere freie Gesellschaft dadurch in Gefahr gerät.
Jede Partei (ich denke da auch an die FDP, die Bürgerrechte immer groß geschrieben hat) kann die Grundrechte benennen, die derzeit verletzt werden, und den Bürgern – wenn schon nicht eine konkrete Lösung, dafür wissen wir alle viel zu wenig von dem Ausmaß der Überwachung – wenigstens das Gefühl geben, dass sie auf ihrer Seite steht. Das tun derzeit nur die Piraten, denen zumindest ich, mit Verlaub, meine Grundrechte nicht so gerne anvertrauen würde. Von „meinen“ Bundestagskandidaten habe ich hingegen noch nichts Beruhigendes, Konstruktives, gehört.
Etwas ernst gemeintes Verständnis für meine Empörung und meine Angst würden mir für den Anfang schon reichen. Oder eine plausible Option c.