NothingsApp

Jakub Hałun, CC BY-SA 3.0

Jakub Hałun, CC BY-SA 3.0

WhatsApp gehört aus Privatsphäresicht zu den gefährlichsten Apps, die derzeit auf dem Markt sind – unter anderem habe auch ich davon geschrieben.

Ich habe lange überlegt, bis ich das Programm endlich von meinem Smartphone gelöscht habe. Es ist in den letzten Jahren einfach zum Standard für Kurznachrichten geworden – zum einen, weil es im Gegensatz zu SMS kostenlos ist, zum anderen sicherlich deshalb, weil man in Gruppen kommunizieren kann.

Vor fünf Wochen habe ich Whatsapp dann gelöscht – und zwar dann, als das letzte Mitglied der Gruppe, in der ich mich mit meiner Familie unterhalte, Threema installiert hatte. Die Kommunikation in der Threema-Familiengruppe läuft genauso wie damals bei Whatsap, mit einzelnen Personen tausche ich mich per Threema oder per SMS aus, aber von von meinen anderen bisherigen Whatsapp-Gruppen – Schwiegereltern, Freunden und Nachbarn – bin ich jetzt abgeschnitten. Tatsächlich erfahre ich viele Neuigkeiten, die ich früher direkt erfahren hätte, von meiner Frau, die noch immer Whatsapp nutzt. Nicht selten höre ich: “Achso 615-544-7466 , das hast du ja gar nicht mitbekommen!” Richtig, habe ich auch nicht, denke ich dann und bedaure das. Ich tröste mich ein wenig mit dem Gedanken daran, dass mein digitales Schattenprofil auf den Whatsapp-Servern “das” eben auch nicht mitbekommen hat. Das ist ein Stück Genugtuung, an der kommunikativen Abgeschnittenheit ändert es jedoch nichts. Offenbar können die Schwiegereltern-, Freundes- und Schwiegerelterngruppen ohne mich. Und offenbar sperren sich deren Mitglieder gegen die Installation einer Whatsapp-Alternative. Warum, das habe ich noch nicht rausbekommen, aber ich möchte mich auch nicht aufdrängen – dass Whatsapp gefährlich ist und ich einen Blog schreibe, der sich mit Datenschutz beschäftigt, wissen sie sicherlich.

Ich muss erstmals einsehen, dass mein Versuch, mein digitales Leben informationell selbstbestimmt und ohne Komfortverlust zu gestalten, nur dann klappt, wenn meine Bekannten mitmachen. Und deren informationelle Selbstbestimmung schließt zunächst einmal ein, wie sehr sie sich dafür interessieren.

Liedermacherlehren am Sonntag

Natürlich rege ich mich darüber auf, dass die NSA täglich Millionen Gesichter aus dem Internet und anderen Quellen sammelt und auswertet. Die Kategorisierung biometrischer Daten dürfte einer der größten Gefahren für unsere Freizügigkeit sein – man denke nur an den theoretisch möglichen Abgleich von privaten Fotos mit offiziellen Dokumenten, Reisepässen oder Visa z. B.

Aber heute will ich mich nicht ärgern. Lieber teile ich ein Lied aus meiner Jugendzeit. “Wir werden alle überwacht” war damals schon uralt 615-544-1117 , doch habe ich damals Georg Danzer Mitte der Neunziger als einen der großen Liedermacher kennen und lieben gelernt. Einige Jahre zuvor hatte ich schon Konstantin Wecker für mich entdeckt, den ich bis heute auch aus musikalischer Sicht tief bewundere. Wenn ich so darüber nachdenke, kann ich nicht ausschließen, dass die beiden offensiv linken Künstler vielleicht Einfluss darauf gehabt habes, dass ich nun ein kritisches, politisches Blog betreibe.

So bezeichne ich es mal als Lehrsatz, dass, wenn man sich so sehr gegen Missstände auflehnt, ein bisschen Ironie nicht schadet (oder ist das ein Allgemeinplatz?)
Wie Georg Danzer 1979 mit “Wir werden alle überwacht” (also zu Zeiten der RAF) gezeigt hat.

Desweiteren darf ich noch einen visuellen Kalauer loswerden, den ich mir auf Facebook geleistet habe:

- - Nicht mal Konserven vor der #nsa sicher - - Geheimdienst dringt in Tomatendose ein #tomatoleaks - -

– – Nicht mal Konserven vor der #nsa sicher – – Geheimdienst dringt in Tomatendose ein #tomatoleaks – –

In diesem Sinne: Der PRISMaelit zieht jetzt aus. Nach draußen in die Sonne.

Wie hältst du’s mit der NSA? Ich frage Direkt Kandidaten.

Spähgypten - Vom Auszug eines PRISMaeliten.Morgen ist Bundestagswahl. Sieben Kandidaten und Kandidatinnen wollen das Direktmandat in meinem Wahlkreis gewinnen, und damit auch meine Belange in Berlin vertreten. Welche das sind? Da habe ich nur eins – noch immer sprachlos, dass keine Partei das im Wahlkampf zum Thema gemacht  hat: Die Wiedererlangung meiner Privatsphäre.

Ich schrieb bereits, dass ich zum Wahlprüfstein machen wollte, wie die Politik mit dem Thema umgeht. Also habe ich die fünf Direktkandidaten, die die größten Chancen auf ein Ticket nach Berlin haben, gestern angeschrieben. Ich wollte wissen:

Was würden Sie als Bundestagsabgeordneter [Sie als Bundestagsabgeordnete] gegen die Verletzung der Privatsphäre durch den NSA und GCHQ unternehmen?

Oder kurz: Wer vertritt mein Interesse in Berlin?
Die CDU und die FDP offenbar nicht. Meine Anfrage, als Direktnachricht über das Facebookprofil des jeweiligen Kandidaten gestellt, wurde innerhalb von 24 Stunden nicht beantwortet. Nun könnte man sagen: Gut, das ist zu wenig Zeit für eine solche Frage. Doch wenn man bedenkt, dass 31 Prozent der Wahlberechtigten Ihre Entscheidung noch nicht getroffen haben, dürfte eine schnelle Reaktion eigentlich im Interesse der Kandidaten und ihrer Mitarbeiter liegen. Oder nicht?

Fraglos schnell war die Antwort der Grünen-Kandidatin, 8 Minuten nach meiner Anfrage über Twitter:

  • Sie möchte lückenlos aufklären, wer wann was wusste, und dann die Gesetze verschärfen. Sie hätte keine Angst vor amerikanischen Freunden, twitterte sie.

Der Kandidat der Linken hat offenbar kein Twitter- oder Facebookprofil, also habe ich ihn per Mail angeschrieben. Er antwortete am heutigen frühen Abend in einer langen Mail. Die Kernpunkte:

  • Die flächendeckende Überwachung ist kein “Betriebsunfall”, sondern den deutschen Behörden bekannt. Alle Vereinbarungen mit ausländischen Diensten sollen veröffentlicht werden, die deutschen Dienste sollen parlamentarisch kontrolliert und deren Aktionen transparent werden (durch Eigenauskunft beim Verfassungssschutz). Schließlich möchte der Linken-Kandidat einen Antrag ins Parlament einbringen, nach dem alle Geheimdienstkooperationen zwischen Deutschland und den USA und Großbritannien beendet werden.

Kurz darauf antwortete die SPD-Direktkandidatin per Facebooknachricht:

  • Sie bezeichnet den CSU-Innenminister als “blauäugig”, der die Terrorverhütung durch die Überwachung nicht belegen kann und zur Verschlüsselung rät, obwohl die ja auch ausgehebelt wird. Sie möchte mit unserem Europaparlamentarier (ebenfalls SPD) verhindern, dass US- und britische Dienste weiter unseren Datenschutz verletzen. Und: “Die Laxheit von Frau Merkel ist sträflich.”

Ich bin den drei Kandidatinnen und Kandidaten, die mir auf meine Frage geantwortet haben, sehr dankbar. Es zeigt mir, dass sie sich auf ihren Wahlkreis einlassen, sich wirklich als Volksvertreter verstehen und nicht nur zwischen Luftballons und Bratwurst Smalltalks an Wahlkampfständen halten. Zudem fühle ich mich zum ersten Mal von der Politik ernst genommen in meiner Angst und meiner Wut über die Snowden-Enthüllungen – selbst wenn ich freilich nicht jede Antwort für richtig halte.

Dennoch: Ich habe meine Entscheidung über die Erststimme getroffen.
Bleibt nur die (nicht ganz ernst gemeinte) Frage: Wie geheim ist die Wahl in Zeiten der totalen Überwachung?

Meine Forderung an die Politik am Vorabend der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag:
Setzt die US- und britische Regierung diplomatisch so sehr unter Druck, dass sie die von Snowden enthüllten Geheimdienstoperationen sofort stoppen und sich zu einer internationalen, überprüfbaren Datenschutzregelung verpflichten!
Möge die nächste Regierung eine mutige sein. 615-544-4070