XKeyscore – Eine neue Dimension des Skandals

Am Mittwoch wurden (zunächst im Guardian, dann auch in deutschen Medien) Informationen über XKeyscore enthüllt, einer Datenbank, die unglaubliche Mengen von abgefischten öffentlichen und privaten Daten aus aller Welt verwaltet und die von mehreren Diensten eingesetzt wird. Eine eigentlich streng geheime interne Präsentation ist seitdem im Netz zugänglich. Damit hat Edward Snowden das belegt, was er bereits im Juni in einem Interview erwähnt hatte: Dass er als Mitarbeiter der NSA Zugriff auf alle Informationen einer Zielperson hatte, sofern er seine private Emailadresse wusste.
Beim Lesen des Zeitungsartikels fühlte ich mir irgendwie an die Datensammelei von Google, Apple und Facebook erinnert, die unter einer Emailadresse bzw. einem Nutzernamen ja längst diverse Anwendungen anbieten und aus sämtlichen einfließenden Informationen (Terminen, Musikplaylisten, Standorten) ein Persönlichkeitsprofil erstellen, um daraufhin gezielt Werbung schalten zu können. Diese Datensammelei ist zwar unschön – aber immerhin weiß der Nutzer dabei noch, dass das der Preis für die kostenlosen Dienste ist!

Doch was die NSA und das GCHQ und wer weiß, wer sonst noch, macht, erinnert nicht nur an das Geschäftsmodell der Big Four (AGFA = Amazon, Google, Facebook, Apple) – die Datenprofile sind der Grundstein für die Bespitzelung! Denn amerikanische Unternehmen – und, wie seit gesten bekannt, auch britische – kooperieren mit den Geheimdiensten und rücken auf Verlangen Nutzerdaten raus. Alle, egal, ob privat oder öffentlich.

Ich bin bei diversen Internetdiensten Kunde. Zeit, sie unter die Lupe zu nehmen.

Meine ersten Gedanken in ersten Worten

Als Snowden erstmals detailliert über Prism und Tempora berichtet hatte, habe ich auf meinem Blog ems-blick.de – obwohl es definitiv am dem Thema des Blogs vorbei ging – meiner Wut Luft gemacht. Ich schrieb:

Ich war noch nie so enttäuscht von der neuzeitlichen Weltordnung wie derzeit. Die Briten, Amerikaner und andere Geheimdienste fischen die Verbindungs- oder sogar alle Daten der weltweiten Internetkommunikation ab – und begründen das mit dem Schutz vor Terror. Dabei hat niemand der in Deutschland bespitzelten Bürger sie darum gebeten! So etwas ist hier verboten, aus gutem Grund, und ich bin dankbar dafür, dass ich ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung habe. Gleichwohl bin bin ich sicher, dass die deutschen Geheimdienste von den Ausspähungen ihrer Partner “profitieren” – gemessen an dem Motiv.
Deshalb bin ich ebenso ebenso überzeugt davon, dass die deutsche bzw. europäische Politik hier nicht wirklich eingreifen wird. Und das schmerzt, denn ich halte große Stücke auf unser politisches System. Den großen Knall, den dieser Skandal im globalpolitischen Gefüge eigentlich hervorrufen müsste, wird zugunsten guter Wirtschafts- und Militärbeziehungen garantiert ausfallen. Meine Güte, ich klinge wie ein Linker!

Auch meine – Michael Brendels – Daten werden in Washington ausgewertet oder in London sogar ganz dreist einfach mitgeschnitten. Die Briten kennen den Inhalt meiner privaten Emails, kennen meine Fotos und Bankverbindungen, meine PINS, TANs und Sicherheitsschlüssel, alles. Die Amerikaner wissen zumindest, wann ich auf welcher Internetseite war. Ich finde keine Worte, wieviel Abscheu ich dafür empfinde.

Ich spiele tatsächlich mit dem Gedanken, als Zeichen meiner tiefsten Ablehnug meinen kompletten Datenverkehr zu verschlüsseln. Vielleicht wäre es aber hilfreicher, einen kurzen Text auf Englisch zu verfassen, in dem ich das Vorgehen der Geheimdienste verurteile und auf meine Bürgerrechte bestehe. Und den dann in 500 MB-Paketen verpacke (500 MB voll mit diesem Text), sie “Terror gegen Bürgerrechte” nenne und in all meine Cloudspeicher lege, bis sie wiederum voll sind. Und dazu eine Facebookkampagne starte, dass alle das machen. Die Chance steigt 615-544-9817 , dass einer dieser arroganten, aktivistischen, großmachtgläubigen Geheimdienstler in London oder Washington unseren Protest zur Kenntnis nimmt.

Und dann? Werden wir weiter bespitzelt werden, da bin ich sicher.
Ich glaube, das Internet steht am Beginn einer neuen Ära. Der Ära des Misstrauens gegen die Behörden, der Introvertiertheit der Nutzer… und vielleicht: Des Datenschutzes.
Den freilich auch Terroristen anwenden.

P.S.: Mir fällt auf, dass das Luftbild der GQHC-Zentrale wie das Symbol des Google-Browsers “Chrome” aussieht. Bestimmt nur Zufall.

Über diesen Blog

Ich schreibe diesen Blog aus Wut, aus Ohnmacht und aus Hilflosigkeit. Als ich davon erfuhr, was Edward Snowen enthüllt hat, nämlich in welch unglaublichem Maße der britische, der amerkanische und weitere Geheimdienste das Internet, die Telefonleitungen und potentiell all ihre Nutzer ausspähen, habe ich den Entschluss gefasst, so laut wie möglich meine Entrüstung darüber zum Ausdruck zu bringen – und so viel wie möglich dagegen zu tun.

NSA, GCHQ und die weiteren beteiligten Geheimdienste haben mein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Sie haben sich Zugriff zu meinen privaten Emails, meinen Kennwörtern und meinen privaten Inhalten auf Google verschafft. Diesen Zugriff haben sich nach deutschem Rechtsstand illegal erworben, und die Inhalte zu nutzen, ist ebenfalls illegal.
Dennoch wurden und werden deutsche Nutzer ausgespäht.

Die Geheimdienste – und ich bin sicher, auch die deutschen kooperieren dabei – tun das zum Schutz gegen den Terrorismus. Sie tun das, ohne die Bespitzelten zu fragen, ob sie so gegen Terrorismus geschützt werden wollen. Ich will das nicht.
Die Dienste und ihre Verteidiger nutzen den Begriff Freiheit, die zu schützen ein hohes Gut ist. Doch für mich endet die Freiheit dort, wo ich nicht mehr die Wahl habe, Informationen auch hinter verschlossenen Türen auszutauschen.

It’s the End of the Web as we know it. Dieser abgewandelte Songtitel von R.E.M. beschreibt ganz gut den Einschnitt, den die Enthüllungen von Snowden für die moderne Kommunikation bedeuten. Aber ich möchte nicht tatenlos zusehen 615-544-9656 , wie meine Rechte ausgehöhlt werden, meine Person ohne mein Wissen oder mein Einverständnis durchleuchtet wird und ich mit allem, was mir lieb und vertraut ist, als potentieller Terrorist durch illegale Datenbanken gescheucht werde.
In diesem Blog versuche ich deshalb, die Situation von möglichst vielen Seiten zu beleuchten, Wege zu suchen, die Kontrolle über meine Daten zu behalten und schließlich wohl auch: Wege zu suchen, mit der großen Enttäuschung der letzten Wochen, die 20 Jahre Interneterfahrung im Nachhinein überschatten, zu leben.

Um das gleich vorweg zu nehmen:
Liebe NSA, liebes GCHQ, liebe XKeyscore-Nutzer: Ihr verletzt meine Menschenwürde. Schert euch zum Teufel!